Wenn es am Sonntag zur Abenddämmerung an der Haustür klingelt und eine fröhliche Kindergruppe lautstark ein Lied anstimmt, dann ist es wieder soweit: Sünnematten steht an.
Sünnematten, im Norddeutschen auch Martinisingen genannt, ist ein alter protestantischer Brauch, der am Geburtstag von Martin Luther, dem 10. November gepflegt wird. An diesem Tag gehen die Kinder, teils mit Laternen, von Haus zu Haus, singen und erhalten dafür Süßigkeiten.
Woher stammt der Brauch?
Vermutlich hat sich dieser Brauch im Laufe der Zeit aus unterschiedlichen Überlieferungen entwickelt. Zum einen wurden früher am 10. November traditionell die Diener und Landarbeiter für die Wintermonate entlassen. Für diese Menschen begann eine schwierige Zeit, denn sie mussten die kalte Jahreszeit oft ohne Besitz und Einkommen überstehen. Um sich etwas Unterstützung zu sichern, zogen die Kinder von Haus zu Haus und baten die wohlhabenderen Bürger und Bauern mit einem Liedvortrag um Lebensmittel. Mit Laternen, die früher aus geschnitzten Runkelrüben bestanden, trugen sie ihre Reime und Lieder vor.
Zum anderen wurde Martin Luther am 11. November 1483 getauft und erhielt, wie es zu jener Zeit üblich war, den Namen des Tagesheiligen – Martin von Tours. Das Fest dieses sehr volkstümlichen Heiligen, war von einem reichen und weit verbreiteten Brauchtum umgeben, das auch nach der Reformation in protestantischen Regionen weiter gepflegt wurde.
Um einen Gegenpol zum römisch-katholischen Nikolauskult zu schaffen, wurde das Martinsbrauchtum ab dem 18. Jahrhundert stärker betont, da es an den Geburts- und Tauftag des Reformators Martin Luther erinnerte.
Somit wandelte sich bereits mit der Reformation ab 1517 der Brauch: Neben der Bitte um Gaben rückte die Ehrung des Reformators Martin Luther in den Vordergrund, der als „Lichtfreund und Glaubensmann“ verehrt wurde. Ab 1817 wurde das Martinisingen schließlich auf den Vorabend des Martinstages verlegt, um fortan Martin Luther als Hauptanlass zu feiern.
Warum dieser Brauch bei uns gepflegt wird
Zu Ehren Martin Luthers ziehen die Kinder im Bistum Minden traditionell am 10. November zum Sünnematten-Singen von Haus zu Haus. Dieser Brauch wird in Lintorf sowie in Barkhausen, Dahlinghausen, Hördinghausen, Rabber, Wimmer und Pr. Oldendorf gepflegt. In Bad Essen hingegen ist der Brauch unbekannt – vermutlich aufgrund alter Bistumsgrenzen unserer östlich gelegenen Ortschaften.
Erinnerungen an Sünnematten
Ab dem Zeitpunkt der Einschulung und spätestens bis zur Konfirmation durfte man „Sünnematten-Singen“ gehen. Mit Einbruch der Dämmerung zog man von Haus zu Haus. Zuerst wurde der erste Vers des bekannten Liedes „Ein feste Burg“ von Martin Luther gesungen:
Ein feste Burg ist unser Gott,
ein gute Wehr und Waffen.
Er hilft uns frei aus aller Not,
die uns jetzt hat betroffen.
Der alt böse Feind mit Ernst
ers jetzt meint;
groß Macht und viel List
sein grausam Rüstung ist,
auf Erd ist nicht seinsgleichen.
Je nach Region/Dorf und im Zuge verschiedenster Überlieferungen waren natürlich auch Abweichungen möglich. Ingrid Böhning, aufgewachsen in der Wimmerheide berichtet beispielsweise, dass nach „Ein Feste Burg“ noch folgender Vers aufgesagt wurde:
Zog einst vor vielen Jahren ein kleiner Knabe aus, sang seine schönsten Lieder von Haus zu Haus.
Der Knab‘ ist groß geworden, hat vieles uns gelehrt, und eins von seinen Liedern habt ihr nun heut gehört.
Es war ja Luther wie ihr wohl alle wisst, wir Kinder singen heute, weil sein Geburtstag ist.
Anschließend folgte das traditionelle plattdeutsche „Sünnematten“-Lied:
Sünnematten, goe Matten
met Äppel un met Bierden, de Nürte sind verrierten.
Laut us nich so lange staun,
wi mürt no 7 Meilen gaun, met usen groten Holsken.
Rausenblatt, Bidenblatt, gift auk watt?Die Antwort lautete: Jau, kourmt man rin!
Als Dank erhielten die Kinder dann Süßigkeiten, Mandarinen oder ähnliche Leckereien und zogen weiter zum nächsten Haus.
Auch in heutiger Zeit findet dieser Brauch in den Ortschaften statt. Die Kinder treffen sich, um gemeinsam „Sünnematten zu gehen“. Die jüngeren Kinder werden in der Regel von einem Elternteil begleitet – doch halten diese sich eher im Hintergrund auf. Singen müssen und sollen die Kinder!
An dieser Stelle ein großes Dankeschön an Ingrid Böhning für die Hilfe bei der Recherche!
Alle Infos ohne Gewähr – Wer noch weitere Informationen zu diesem alten Brauch beitragen möchte, darf sich gerne bei der Ortschaft melden. Gerne per E-Mail an kontakt@ortschaft-lintorf.de